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Forschungsberichte Nr. 51


Roland Kahn:
Ein Ammoniak-Wasser-Absorptionskreislauf für hohen Temperaturhub

In dieser Arbeit wird ein Ammoniak- Wasser Absorptionskreislauf vorgestellt, der sich gegenüber bisher diskutierten Prozessen dadurch unterscheidet, dass eine prinzipiell neue Komponente, nämlich eine Mischkolonne, in der das Konzept der inversen Rektifikation verwirklicht ist, eingeführt wird.

In der Mischkolonne wird ein Teil der reichen Lösung aus dem Absorber abgezweigt und mit dem Dampf aus dem Verdampfer im Gegenstrom gemischt. Der Dampf wird dabei mit Wasser, die Lösung mit Ammoniak angereichert. Der Dampf verlässt die Mischkolonne nahezu im Gleichgewicht zur reichen Lösung aus dem Absorber. Aufgrund dieser Konzen­trations­änderung des Dampfes bei nahezu unveränderter Dampfmenge kann der Lösungs­umlauf bei konstanter Ausgasungsbreite, also konstantem Temperaturhub, gesenkt werden.

Neben der reichen Lösung aus dem Lösungswärmetauscher steht mit dem in der Mischkolonne aufkonzentrierten Lösungsteilstrom ein zweiter Zulauf höherer Konzentration für die Rektifikation zur Verfügung. Dieser zweite Stoffstrom ersetzt einen Teil des im Kondensator bzw. Dephlegmator erzeugten Rücklaufs für die Trennkolonne. Dadurch nimmt der Wärmebedarf für die Rektifikation ab und zwar umso mehr je hoher die Konzentration des zweiten Zulaufs bei konstanter Zulauftemperatur und –menge gewählt wird. Dadurch die Mischkolonne wird somit nicht nur die im Lösungswärmetauscher auszutauschende Wärme, sondern auch der Wärmebedarf der Rektifikation und damit direkt die Antriebswärme des Ammoniak- Wasser Absorptionskreislaufs gesenkt.           

Neben dem Fall eines weiteren Zulaufs in der Trennkolonne wird auch der Wärmebedarf der reversiblen thermischen Stofftrennung mit unendlich vielen Zuläufen unterschiedlicher Konzentration diskutiert und mit dem einer ebenfalls reversiblen, aber diabaten Ausführung der Rektifikation mit nur einem Zulauf der gleichen mittleren Konzen­tration und Enthalpie verglichen. Die zusätzlichen Zuläufe, wie sie in einer Misch­kolonne erzeugt werden können, reduzieren den Wärmebedarf für die thermische Stofftrennung erheblich. Der Einsatz der inversen Rektifikation ermöglicht daher bei Arbeitsstoffpaaren mit binärer Dampfhase eine deutliche Verbesserung des einfachen Absorptionskreislaufs.

Die inverse Rektifikation in ihrer einfachsten technischen Ausführung, nämlich einer adiabaten Mischkolonne mit jeweils einem Flüssigkeitszu- und –ablauf, wird dieser Arbeit ausführlich behandelt. Es werden einige Spezialfälle betrachtet, die graphisch im Enthalpie-Konzentrations- Diagramm von Ammoniak- Wasser gelöst werden können. Sie zeigen, welche Konzentrationsänderungen bei vorgegebenem Massenstromverhältnis zwischen Flüssigkeit und Dampf von der Mischkolonne zu erwarten sind, bzw. welche Massenstrom­verhältnisse vorliegen müssen, damit im Fall unendlicher Stufenzahl Gleichgewichtszustände zwischen Flüssigkeit und Dampf am oberen oder unteren Ende einer adiabaten Misch­kolonne erreicht werden können.

Wird der Lösungsteilstrom aus der Mischkolonne in einem kleinen, zusätzlichen Absorber weiter aufkonzentriert, so kann der Absorptionsprozess noch einmal deutlich verbessert werden. Der zusätzliche Absorber arbeitet bei der gleichen Temperatur wie der Haupt­absorber, aber bei einem Druck, der zwischen Kondensator- und Verdampferdruck liegt, und wird hier als Zwischenabsorber bezeichnet. Er absorbiert den Entspannungsdampf der ersten Kältemitteldrossel einer zweistufig ausgeführten Kältemittelentspannung.

Die Berechnung des Wärmeverhältnisses für die Kälteerzeugung (COP) der neuen Schaltung mit Mischkolonne und Zwischenabsorber wird unter idealisierten Bedingungen im Enthalpie- Konzentrations- Diagramm von Ammoniak-Wasser graphisch dargestellt. Der COP wird für einen Verdampferdruck von 2 bar und einen Temperaturhub von 85 K bestimmt, wie er zum kombinierten Heizen (65°C) und Kühen (-20°C) benötigt wird, und mit den bisher in der Literatur vorgeschlagenen Prozessverbesserungen sowie einem Kreislauf nur mit Mischkolonne bzw. Zwischenabsorber verglichen. Der neue Kreislauf erreicht mit idealen Komponenten bei den genannten Bedingungen einen COP von 0.52. Dieser Wert liegt um 20 % über dem der besten bisher bekannten Schaltung und rund 50 % über dem des einfachen Kreislaufs. Aufgrund des höheren COP und niedrigeren spezifischen Lösungs­umlaufs sinkt der gesamte Wärmeumsatz der neuen Schaltung gegenüber dem einfachen Kreislauf bei gleicher Kälteleistung um 25 %.

Der Einfluss verschiedener Auslegungsparameter, wie das Produkt aus Wärme­durchgangs­koeffizient k und Wärmetauscherfläche F (kF-Wert) im Lösungs­wärmetauscher und im Nachkühler sowie die Stufenzahl in den Kolonnen, auf den COP des neuen, des einfachen und eines verbesserten Kreislaufs, der dem heutigen Stand der Technik bei den Groß­anlagen entspricht, wird anhand der Ergebnisse von Simulations­rechnungen dargestellt. Der Vergleich der Schaltungen zeigt, das der neue Prozess weder auf große interne Wärme­tauscher, noch auf besonders hohe Stufenzahlen in den Kolonnen ange­wiesen ist. Schon bei einer theoretischen Stufe in der Mischkolonne, also einer vollständig irreversiblen Mischung der abgezweigten Lösung mit dem Dampf aus dem Verdampfer, ergibt sich ein deutlich höherer COP als bei den beiden andere Kreisläufen.

Die Überlegenheit der neuen Schaltung ist bei hohem Temperaturhub am größten. Bei realistisch modellierten Komponenten und einem Temperaturhub von 85 K sollte aufgrund der Simulationsrechnungen ein COP von 0.44 erreicht werden, was ca. 30 % über dem der verbesserten Schaltung liegt, die heute bei Großanlagen verwendet wird.

Zum Test dieser Vorhersagen wurde der neue Kreislauf mit Mischkolonne und Zwischenabsorber im Labor mit einer Kälteleistung von 10 kW bei –20°C aufgebaut und experimentell untersucht. Dabei wurde auch ein neues Konzept für den Absorber, nämlich ein handelsübliche, geschraubter Plattenwärmetauscher als Blasenabsorber, erprobt. Der gemessenen, mittlere Wärmedurchgangskoeffizient dieser Komponente beträgt 0.8 kW/m²K. Trenn- und Mischkolonne wurden als Füllkörperkolonnen ausgeführt. Durch einen Vergleich zwischen Messung und Rechnung wurde die Stufenzahl in Trenn- und Mischkolonne bestimmt. Die Trennkolonne hatte 7, die Mischkolonne etwa 2 theoretische Stufen.

Die Regelung der Anlage erlaubte stationäre Messungen an gezielt angefahrenen Betriebspunkten. Die Laboranlage wurde so konzipiert, dass auch die heute in Großanlagen übliche Schaltung als Referenz bei nahezu gleichen Versuchsbedingungen untersucht werden konnte. Durch den Vergleich beider Schaltungen können sehr verlässliche Aussagen über die tatsächlich erreichte Verbesserung des COP gemacht werden. Bei einem Temperatur­hub von 85 K wurde ein COP von 0.34 gemessen, der trotz der relativ niedrigen Stufenzahl in der Trennkolonne bereits 18 % über dem der Referenzmessungen liegt. Wird der Temperaturhub um die gemessenen Druckverluste zwischen Absorber und Verdampfer korrigiert, so steigt der COP auf 0.38. Dieser Wert könnte durch nur drei zusätzliche Stufen in der Trennkolonne um 13 % auf 0.43 verbessert werden und liegt dann nahe am oben erwähnten realistischen Wert von 0.44.

Der Einfluss verschiedener Betriebsparameter auf den COP der neuen Schaltung, wie Kondensatreinheit und Lösungsabzweig zur Mischkolonne, wurden mit der Laboranlage ebenfalls untersucht. Aufgrund der relativ niedrigen Stufenzahl in der Trennkolonne ergaben sich nur schwache Abhängigkeiten, Alle Experimente lassen sich theoretisch gut interpretieren.

Es wurde ein ausgezeichnetes Lastverhalten des neuen Prozesses beobachtet: Im Bereich zwischen 17 und 9 kW Kälteleistung blieb der COP nahezu konstant und nahm die 5 kW Kältelast um 20 % ab. Das Betriebsverhalten war trotz zusätzlicher Regelstrecken unproblematisch und stabil.

Mit der in dieser Arbeit theoretisch und experimentell untersuchten neuen Schaltung steht ein effizienter Ammoniak-Wasser Absorptionskreislauf für hohen Temperaturhub zur Verfügung. Aufgrund seines guten COP können mit diesem Kreislauf auch hocheffiziente Ammoniak-Wasser Triple-Effect Kreisläufe zur Klimatisierung realisiert werden. Derartige Anlagen könnten auch im Winter bei tiefen Außentemperaturen noch mit der Umwelt­wärmequelle Luft zum Heizen genutzt werden, indem nur noch der Kreislauf mit hohem Hub betrieben wird. Eine andere Anwendung des neuen Kreislaufs ist die Erzeugung von Tiefkälte bei Temperaturen von –40°C bis –60°C. Wird die neue Schaltung um kombinierten Heizen und Kühlen verwendet, wie es die Zielsetzung dieser Arbeit war, so ersetzt sie eine Kälte- und eine Heizanlage. In Folge der energetischen Voreile einer solchen Wärme-Kälte-Kopplung ist die Wirtschaftlichkeit in vielen Fällen bereits heute gegeben.


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