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Forschungsberichte Nr. 49


Stefan Wirth:
Einfluß der Sonneneinstrahlung auf den Wärmebedarf und die Raumlufttemperaturen beheizter Räume

Für die Analyse der Ausnutzbarkeit der Sonneneinstrahlung mit passiven Maßnahmen wird ein Verfahren zur thermischen Gebäudesimulation vorgestellt, das es erlaubt, den Wärme­bedarf, den Verlauf der Raumlufttemperatur, der Heizlast und den Temperaturverlauf in den Umschließungsflächen eines Raumes unter exakt definierten Randbedingungen (Sonnen­einstrahlung, Außenluftwechsel, Größe und zeitlicher Verlauf der inneren Wärmequellen sowie der Verlauf der Außentemperatur und der Temperatur in den Nachbarräumen) zu berechnen. Hierzu werden für die einzelnen Bauteile des Raumes und das Raumluftvolumen eigene Wärmebilanzen aufgestellt, die durch den Wärmeaustausch untereinander gekoppelt sind. Bei der Berechnung des Wärmetauschs wird zwischen der Konvektion und der Wärme­strahlung unterschieden. Außerdem wird die Abhängigkeit der Wärmestrahlung von der Ober­flächen­temperatur der Raumumschließungsflächen und der Konvektion von der Differenz zwischen der Oberflächentemperatur und der Raumlufttemperatur beibehalten. Die Sonneneinstrahlung und die durch Strahlung übertragene Wärme werden unter Berück­sichtigung von Mehrfachreflexionen auf die einzelnen Bauteile verteilt. Hierbei wird für die diffuse und die reflektierende Sonnenstrahlung sowie für die Wärmestrahlung das Modell der diffusen Reflexion verwendet. Bei der direkten Sonnenstrahlung wird zusätzlich der Einfalls­winkel, mit dem die Sonnenstrahlung in den Raum gelangt, berücksichtigt.

Die Wärmebilanzen bilden zusammen ein Gleichungssystem aus algebraischen Gleichungen sowie gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen. Zur Lösung wird das für das vorliegende Gleichungssystem unter den gewählten Randbedingungen konvergente semi-implizite Euler-Verfahren verwendet: Die nichtlinearen, aus dem Wärmeaustausch durch Strahlung und Konvektion resultierenden Anteile der Gleichungen werden linearisiert und die Differentialgleichungen durch Differenzengleichungen ersetzt.

Hierdurch wird das ursprünglich nichtlineare Gleichungssystem in ein lineares Gleichungs­system überführt, welches durch den Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage nach seinen Unbekannten aufgelöst wird. Durch eine Skalierung vor der Auflösung des linearen Gleichungssystems wird sichergestellt, dass die Konvergenz des semi-impliziten Euler-Verfahrens durch Rundungsfehler bei der Bearbeitung durch eine elektronische Daten­verarbeitungsanlage nicht verloren geht.

In dem EDV-Programm zu dem Berechnungsverfahren ist der Außenluftwechsel in Abhängig­keit der Empfindungstemperatur steuerbar, um Aussagen zur Relation zwischen dem Wärmebedarf (Energieeinsparung durch die Wärmegewinne) und dem Wohnkomfort (thermisches Raumklima) treffen zu können. Am Beispiel der transparenten Wärme­dämmung und der raumluftdurchströmten Speicherwand als hybrides System zur Sonnen­energienutzung werden Erweiterungsmöglichkeiten des Rechenverfahrens aufgezeigt.

Berechnungsergebnisse

Als Berechnungsergebnisse der durchgeführten Beispielrechnungen können genannt werden:

  • Der Vergleich des Rechenverfahrens zur thermischen Gebäudesimulation mit anderen EDV-Programmen und mit einem konventionellen Gradtagszalhlverfahren für die Berechnung des Wärmebedarfs zeigt eine zufriedenstellende Übereinstimmung in den Ergebnissen.
  • Eine Vergrößerung des Fensterflächenanteils mit dem Ziel der Energieeinsparung erfordert eine Verglasung mit niedriger Wärmedurchgangszahl (Wärmeschutz­verglasung), da ansonsten­ steigende Transmissionsverluste die zusätzlichen Wärme­gewinne ausgleichen.
  • Eine optimale Ausnutzung der Sonneneinstrahlung durch einen großen Fensterflächen­anteil der Südfassade mit einer Wärmeschutzverglasung ist an strahlungsreichen Tagen mit einer Überwärmung des Raumes infolge der ungeregelten Abgabe der in den Raum­umschließungsflächen eingespeicherten Sonnenenergie verbunden. Die sich einstellenden Raumlufttemperaturen werden überwiegend von den Bewohnern als unbehaglich empfunden.
  • Trotz der höheren Raumlufttemperaturen während der Einspeicherung ist der Wärme­bedarf der Leichtbauweise mit demjenigen der Massivbauweise vergleichbar, da zum einen die weniger effektive Ausnutzung der Wärmegewinne durch eine verbesserte Energie­einsparung bei intermittierendem Heizbetrieb aufgehoben wird. Zum anderen reagieren Räume in Leichtbauweise aufgrund der geringen Speichermassen weniger zeitverzögert, so dass die Heizlast in den Morgenstunden bei Einsetzen der Sonnen­einstrahlung schneller abnimmt.
  • Durch eine Vergrößerung des Außenluftwechsels kann der Bewohner die Raum­temperatur während der Phase der Überwärmung senken, um den Wohnkomfort bei einer gleichzeitigen Erhöhung des Wärmebedarfs zu steigern. Umgekehrt ist es in modernen Niedrigenergiehäusern durch eine Senkung des Außenluftwechsels möglich, über die Wärmegewinne den größten Teil des Wärmebedarfs zu decken. Theoretische Abschätzungen lassen unter idealen Randbedingungen sogar die Möglichkeit eines „Null-Energieraumes“ zu. Hier befindet sich der Bewohner in einem Zwiespalt zwischen der optimalen Ausnutzung der Wärmegewinne einerseits und der Verbesserung des Raum­klimas andererseits.
  • Ein Fußbodenoberbelag mit großem Wärmedurchlasswiderstand behindert die Funktion des Fußbodens als Speichermasse für die Wärmegewinne aus der Sonneneinstrahlung, so dass sich wegen der daraus resultierenden größeren Überwärmung höhere Trans­missions- und Lüftungsverluste einstellen. Ein ähnlicher Effekt ist auch z.B. bei der Verwendung eines Wandteppichs oder einer abgehängten Decke denkbar.
  • Der Absorptions- und Reflexionsgrad der Oberflächen hat im Falle der Südverglasung nur einen geringen Einfluss auf den Wärmebedarf.
  • Durch den Einsatz einer transparenten Wärmedämmung wird unabhängig vom Fenster­flächenanteil ein ähnlich niedriger Wärmebedarf wie für die vollverglaste Südfassade mit einer Wärmeschutzverglasung erzielt. Bei kleinem Fensterflächenanteil stellt sich die Überwärmung nur in abgeschwächter Form ein.
  • Bei der Leichtbauweise wird durch den Einsatz einer raumluftdurchströmten Speicher­wand als hybrides System zur Sonnenenergienutzung die Raumlufttemperatur unter extremen Strahlungsbedingungen gesenkt. Gleichzeitig werden die Wärmegewinne besser genutzt, so dass eine Verringerung des Wärmebedarfs bei Leistungszahlen für das Verhältnis der zusätzlich gewonnenen Wärme zur aufgewendeten elektrischen Energie von bis zu 19 beobachtbar ist.

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